12 Dez '21

Teilweise 42 Minuten ohne Strom: Wie es zum Blackout kam und welche Folgen er in Lippstadt hatte

Plötzlich war Lippstadt ohne Strom: Am Mittwochabend hat es in der Lippe-Stadt einen flächendeckenden Stromausfall gegeben. Grund dafür: ein Rettungseinsatz im Kreis Gütersloh, für den eine Hochspannungsleitung außer Betrieb genommen werden musste. So sollte die Gefahr für Leib und Leben möglichst klein gehalten werden. Rund 115?000 Haushalte in Lippstadt und im Kreis Gütersloh waren kurzzeitig stromlos.

So tickt und taktet das Stromnetz.

„Das Stromnetz kann man sich wie ein Straßennetz vorstellen: Es gibt Autobahnen, Bundesstraßen, Landstraßen“, sagt Corinna von Oer, Sprecherin des Verteilnetzbetreibers Westnetz. Das Stromnetz teile sich genauso auf: in das Hochspannungsnetz mit 110 Kilovolt, das Mittelspannungsnetz (zehn Kilovolt) und das Niederspannungsnetz mit 400 Volt. „Die unterschiedlichen Netze bedienen verschiedene Abnehmer: Hochspannung für größere Orte und energieintensive Unternehmen, Mittelspannung für kleinere Orte und Unternehmen, Niederspannung für einzelne Haushalte und Geschäfte. Wegen der unterschiedlichen Spannungen braucht es Umspannwerke, die die Verbindung zwischen den einzelnen Spannungsebenen herstellen – ein wenig wie Autobahnkreuze.“ Am Mittwoch wurde die „höhere Spannungsebene abgeschaltet, die das Mittel- und Niederspannungsnetz versorgt“ – die 110-Volt-Leitung Lippstadt/Avenwedde.

So haben die Stadtwerke mit ins Rad gepackt.

Lippstadt komplett stromlos – das hat Stadtwerke-Geschäftsführer Siegfried Müller auch noch nicht erlebt (und er ist hier seit fast 26 Jahren tätig). Als der Strom um 21.10 Uhr abgeschaltet wurde, seien die Umspannungswerke unmittelbar besetzt worden. Sieben Minuten später hätten Westnetz- und Stadtwerke-Mitarbeiter die von Erwitte über Lippstadt nach Gütersloh führende Leitung getrennt und geerdet – und direkt jene von Lippstadt nach Erwitte wieder eingeschaltet, so dass wieder Spannung bis Lippstadt herrschte und zwei der vier Transformatoren Teile von Lippstadt versorgten. Jene im Roßfeld waren um 21.36 Uhr wieder am Netz (sie versorgen die östlichen Stadtteile plus Lipperbruch), um 21.52 Uhr folgten jene am Weinberg (für die westlichen Stadtteile). „Nach 42 Minuten müsste auch der letzte Haushalt wieder Strom gehabt haben.“

Was im Notfall hinter den Kulissen passiert.

Während sich die Zahl der Anrufe am Abend selbst noch in Grenzen hielt – das Mobilnetz funktionierte ja ebenfalls nicht – rechnete Müller angesichts des Ausfalls von EDV- und Telefonanlagen am Mittwochmorgen mit vermehrten Nachfragen. Im Wasserwerk war planmäßig das Notstromaggregat angesprungen, die Gasübernahmestation wurde besetzt, eine Batterieanlage ermöglichte den Betrieb in der Stadtwerke-Zentrale und schützte die dortige IT. Bis in die frühen Morgenstunden arbeiteten die Kollegen an den Nachwirkungen des Stromausfalls. Für die Stadtwerke selbst konnte Müller konstatieren: „Der Notfallplan für dieses Szenario hat funktioniert. Die wirtschaftlichen Folgen für Lippstadt dürften dennoch immens sein.“

Warum überall die Feuerwehr ausgerückt ist.

In Lippstadt besetzte die Feuerwehr alle Gerätehäuser. Sie sollten (wie beim Ausfall des Notrufs) als Anlaufstelle dienen. Dafür wurde der sogenannte Wehralarm ausgelöst, sagt Feuerwehrsprecher Christian Dicke. Die Wehrleute hatten zu tun: Im Lippstädter Norden lösten zwei Brandmeldeanlagen aus, die Wachbereitschaft musste zudem einen beatmungspflichtigen Patienten zu Hause unterstützen. In Bad Waldliesborn befreite die Löschgruppe Lipperbruch eine Person aus „misslicher Lage“ – im stecken gebliebenen Aufzug.

Warum im Kreis Soest nicht mit Warn-App gewarnt wurde.

Eine Warnung der Bevölkerung über die Warn-App Nina (so wie im Kreis Gütersloh) habe im Kreis Soest am Mittwoch „keinen Sinn mehr gemacht“, sagt Kreissprecher Wilhelm Müschenborn. „Bereits um 21.10 Uhr erreichten die Leitstelle erste Anrufe zum Stromausfall. Wir hatten Nina auf dem Schirm.“ Die Leitstelle habe sich zunächst einen Überblick über die Lage verschaffen müssen, anschließend einen Warn-Text formuliert. In der Zwischenzeit – gegen 21.40 Uhr – sei der Strom überwiegend schon zurück gewesen. Deshalb habe man sich gegen die Warnung entschieden: „Wir wollten keine Panik verbreiten.“ Der Kreis Gütersloh habe zudem eher reagieren können, weil dort der Einsatz stattgefunden habe, der für den Stromausfall ursächlich war: „Dort gab es einen zeitlichen Vorlauf.“

Darum haben die Patienten in den Krankenhäusern nichts vom Stromausfall bemerkt.

„So einen Vorfall wie gestern, bemerken Patienten in der Regel gar nicht“, sagt Dr. Nadja Schikorra, Sprecherin des Evangelischen Krankenhauses. Im Fall eines Stromausfalls ist die Stromversorgung – im Ernstfall für mehrere Tage – durch Notstromaggregate sichergestellt. Diese werden wöchentlich getestet und gewartet. Das gilt auch für das Dreifaltigkeits-Hospital: „Nach 15 bis 20 Sekunden startet die Stromversorgung bei Stromausfall automatisch“, sagt Silke Wissen (Öffentlichkeitsarbeit). So könnte ein Ausfall mindestens 24 Stunden oder länger überbrückt werden – „alle wichtigen Bereiche im Krankenhaus werden mit Strom versorgt“. Die Mitarbeiter der Technik werden über die Rufbereitschaft alarmiert. Anschließend werde nach Ablaufplan überprüft, ob Geräte und Anlagen normal funktionieren und einsatzbereit sind.

Das passiert, wenn der Strom länger wegbleibt.

„Bei großräumigem Stromausfall greift bei Westnetz zunächst ein regionaler Notfallstab“, sagt Corinna von Oer. Das Gremium übernehme das technische und operative Management. „Bei größeren Störungen, deren Auswirkungen so massiv sind, dass die Ressourcen des regionalen Notfallstabes nicht mehr ausreichen, greift der überregionale Krisenstab.“ Zuletzt der Flutkatastrophe im Juli. „Dieses strukturierte Vorgehen ermöglicht es uns als Netzbetreiber, die betroffenen Gebiete möglichst schnell wiederversorgen.“

++++ Krisenvorbereitung ++++

Ein Stromausfall legt nicht nur das öffentliche Leben lahm, auch Privathaushalte sind betroffen: Es gilt vorzusorgen. Taschenlampen, Kerzen, Batterien, Streichhölzer, Feuerzeuge und Co. gehören zur Grundausstattung. Der Notruf der Polizei (110) und der Feuerwehr (112) sollte nur im Notfall gewählt werden und nicht zu Auskunftszwecken. Weitere Infos hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Internet zusammengestellt: www.bbk.bund.de

+++++ Frau klettert auf Hochspannungsmast ++++

Weil eine Frau auf einen Hochspannungsmast geklettert ist, sind die Höhenretter der Gütersloher Berufsfeuerwehr am Mittwochabend gegen 20.49 Uhr nach Gütersloh-Pavenstädt alarmiert worden. Laut Polizei war die psychisch erkrankte Frau nach eigenen Angaben selbst auf den Mast geklettert und konnte den Rückweg nicht alleine bewältigen. Schnell war den Einsatzkräften klar: Für die Rettung muss der Strom abgeschaltet werden, schildert Marc Berkenkötter, Sprecher der Kreisleitstelle Gütersloh. Dafür wurde der zuständige Betreiber Westnetz kontaktiert. „Es war mit einem großen Stromausfall zu rechen“, sagte Berkenkötter. Betroffen waren davon unter anderem Rheda-Wiedenbrück und Langenberg – aber auch Lippstadt.

Deshalb habe die Leitstelle um 21.16 Uhr auch die Kollegen im Kreis Soest entsprechend informiert. „Wir standen immer im Austausch.“ Nachdem der Strom abgeschaltet war, konnten die Höhenretter die Frau wohlbehalten zurück auf den Boden holen: Sie stieg gesichert und unter Anleitung selber hinunter. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht. „Es ist alles glücklich ausgegangen“, so Berkenkötter. Anschließend konnte Westnetz die Stromversorgung wieder herstellen. Gegen 23 Uhr sei der Strom in allen Haushalten im Kreis Gütersloh wieder da gewesen.

Quelle: Der Patriot - Lippstädter Zeitung