30 Mär '21

Im Ernstfall droht der Ausfall kompletter Einheiten: Feuerwehren fordern Impf-Priorität

Noch immer müssen fast alle freiwilligen Feuerwehrleute ungeimpft in den Einsatz. Das sorgt für Unverständnis. Die Feuerwehren im Kreis fordern, in Sachen Corona-Impfung endlich priorisiert behandelt zu werden.

Kreis Soest – Bei schweren Unfällen retten sie Verletzte aus ihren Autos. Wenn der Rettungsdienst Tragehilfe benötigt, sind sie zur Stelle. Egal, bei welchem Einsatz, sind sie für die Betroffenen da und lassen sie nicht allein im Regen stehen. Doch mittlerweile fühlen sich die mehr als 3500 ehrenamtlichen Feuerwehrleute aus dem Kreis Soest selbst im Regen stehen gelassen. Bei ihnen wächst das Unverständnis, warum sie in einer „durcheinander geratenen Impfreihenfolge“ immer weiter nach hinten gerutscht sind und zum überwiegenden Teil noch immer ungeimpft in den Einsatz müssen.

In einer Resolution an die Gesundheitsminister von Bund und Land fordert der Verband der Feuerwehren Nordrhein-Westfalen (VdF NRW), dass auch die freiwilligen Kräfte früher gegen das Coronavirus geimpft werden müssen. Bisher haben sie keine Impf-Priorität. Das Ministerium verweist auf Einzelfall-Entscheidungen.

Corona-Impfung für Feuerwehrleute: Auch Quarantäne könnte gefährlich werden

Es gehe nicht nur um einen angemessenen Schutz für die einzelnen, ehrenamtlich tätigen Feuerwehrleute, „sondern auch um die Funktionsfähigkeit der Feuerwehren“. „Allein das gemeinsame Ausrücken im Fahrzeug führt zu einer Kontaktintensität der Mannschaft, das man spätestens mit der um sich greifenden ,britischen Mutante’ ohne Impfschutz die baldige Außerdienstnahme kompletter Einheiten riskiert.“ Auch die Quarantäne ganzer Feuerwehreinheiten könne den Brandschutz und die Hilfeleistung in ganzen Stadtteilen und darüber hinaus gefährden.

Die ersten Priorisierungen der Impfverordnung seien „nachvollziehbar“ gewesen „und wurden daher ohne Anmerkungen akzeptiert“, erklärt der VdF NRW. Doch mittlerweile wachse das Unverständnis immer mehr: „Dass nunmehr sukzessive diverse Berufsgruppen zwischen oder innerhalb der Stufen nach oben geschoben werden, stuft alle Feuerwehrangehörigen, die nicht im Rettungsdienst tätig sind, immer weiter nach hinten.“

Corona-Impfung für Feuerwehrleute: Nicht einmal das Impfzentrum in Soest würde belastet

Thomas Wienecke betont in seiner Funktion als Vorsitzender des Verbandes der Feuerwehren des Kreises Soest, dass durch Impfungen der Feuerwehrleute des Kreises nicht einmal Kapazitäten im Impfzentrum beansprucht würden. „Wir haben im Kreis Soest 3563 Einsatzkräfte. Um die Einsatzbereitschaft aller Einheiten zu gewährleisten, müssten etwa 2500 Einsatzkräfte geimpft werden. Dies könnten die Feuerwehrärzte (Betriebsärzte) durchführen. Nur die Impfdosen müssten gestellt werden.“

Er und die Mitglieder des Kreis-Verbandes können nicht nachvollziehen, „wo der Unterschied zu anderen, in der Gefahrenabwehr tätigen Institutionen“, deren Mitarbeiter schon geimpft wurden, liegen soll. „Das Gefährdungspotenzial ist das gleiche.“ Von den Feuerwehren im Kreis Soest wurden bislang nur die hauptamtlichen Kräfte der Feuerwehr Lippstadt, 15 Feuerwehrkräfte der Feuerwehr Anröchte, weitere 15 der Feuerwehr Rüthen und 30 der Feuerwehr Ense geimpft.

Die Impfungen der Kräfte aus Anröchte, Ense und Rüthen seien kurzfristig über eine Prioritätenliste zustande gekommen, weil verhindert werden sollte, dass übrig gebliebener Impfstoff aus Pflegeheimen verfällt.

Thomas Wienecke betont, dass man die Impfung von Feuerwehrleuten auch noch von einer anderen Seite betrachten müsse: „Wenn Feuerwehren in den Einsatz gehen, haben sie es mit Personen in Notlagen zu tun. Auch diese Personen würden geschützt, wenn Feuerwehrangehörige geimpft sind.“

Leitender Notarzt über Impfungen für Feuerwehrleute: Sie arbeiten „direkt am Patienten“

Dr. Hathumar Allhoff ist gelernter Internist. Seit vielen Jahren arbeitet er als Leitender Notarzt bei Einsätzen mit vielen Verletzten Hand in Hand mit den Feuerwehren des Kreises Soest zusammen. Er betont: „Die Kameraden der Feuerwehr müssen eine hohe Priorität beim Impfen haben. Je enger der zwischenmenschliche Kontakt ist, desto höher ist die Ansteckungsgefahr.“ Ebenso wie die Mitarbeiter des Rettungsdienstes arbeiten Feuerwehrleute „direkt am Patienten“. „Je näher man dran ist, desto eher muss man geimpft werden“, unterstreicht er.

Der VdF NRW erinnert daran, „dass auch die ehrenamtlichen Angehörigen der Feuerwehren regelmäßig bei ihren Einsätzen ungeplanten, aber zeitkritischen Patientenkontakten ausgesetzt sind. Dies betrifft beispielsweise die Verletztenrettung nach Verkehrsunfällen oder die immer häufiger vorkommenden Einsätze zur Unterstützung des Rettungsdienstes, zum Beispiel in Form von Tragehilfe oder Patiententransport mittels Drehleiter aus Obergeschossen. Gleiches gilt für kritische Einsätze jeder Art in Privatwohnungen oder Häusern, wo Erkrankte oder Personen unter Quarantäne anwesend sind. Bei all diesen Einsätzen sind die Gefahren, denen die Feuerwehrangehörigen ausgesetzt sind, mit den Gefahren im Rettungsdienst vergleichbar.“

Corona-Impfung für Feuerwehrleute: Auch an die Familien müsse gedacht werden

Ebenso müsse der Schutz der Familienangehörigen von Feuerwehrleuten berücksichtigt werden. Viele von ihnen hätten wenig Verständnis dafür, „dass ihre in der Feuerwehr engagierten Familienmitglieder für ein Ehrenamt ,Corona mit nach Hause bringen’“. Abschließend fordert der VdF NRW die Gesundheitsminister auf, „die genannten Zusammenhänge zu berücksichtigen und angemessen prioritär ein Impfangebot an alle Feuerwehrangehörigen zu machen“.

Unsere Redaktion fragte beim NRW-Gesundheitsministerium, wann Freiwillige Feuerwehrleute damit rechnen könnten, geimpft zu werden. Die Antwort eines Sprechers: „Sobald Personen im Rahmen ihrer Feuerwehrtätigkeit als Einsatzkräfte zur Sicherstellung der ,öffentlichen Ordnung’ einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, besteht laut § 3 Abs. 1 Nummer 6 der Corona-Impfverordnung ein Anspruch auf Schutzimpfungen mit hoher Priorität (2. Stufe). Dies muss jedoch immer im Einzelfall vor Ort entschieden werden.“

Text und Fotos: Daniel Schröder (Soester Anzeiger)

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