08 Jul '20

Wehrleute als Tierretter

Verirrte Katzen, streunende Hunde, verpeilte Vögel, im schlammigen Lippe-Grund feststeckende Rinder: Immer wieder wird die Feuerwehr alarmiert, weil Tiere in Situationen geraten, aus denen sie ohne menschliche Hilfe nicht herauskommen. 72 Fälle von „Tier in Notlage“, wie derlei Einsätze in der Statistik genannt werden, gab es im vergangenen Jahr. In diesem Jahr scheint Fortuna mehr Herz für Tiere zu haben: In den ersten sechs Monaten gab’s erst 17 solcher Einsätze.

Der jüngste tierfreundliche Einsatz der Feuerwehr datiert vom vorletzten Wochenende. Am Sonntagvormittag wird die Wehr alarmiert, dass sich in der Straße In der Aue eine junge Katze im Motorraum eines Pkw befindet. Die Retter rücken aus, damit der jämmerlich wehklagende Stubentiger aus seinem Gefängnis befreit wird – und nicht versehentlich, wenn der Pkw-Besitzer ihn nicht bemerkt, beim Losfahren überfahren oder gegrillt wird.

Die Wehrleute können den Autobesitzer schnell ausfindig machen (anders als das Frauchen oder Herrchen des eingeschlossenen Vierbeiners). Der öffnet die Motorhaube, aus dem Motorraum kommt eine völlig verängstigte junge Katze heraus. Ein Wehrmann nimmt sich das schwarze Kätzchen, das sodann vorsorglich zu einem Tierarzt gebracht wird.

Manchmal rücken die Rettungskräfte sogar mit schwerem Gerät an, kommen etwa mit der Drehleiter, wenn es einen Vogel aus einem Baum oder eine Katze vom Dach zu holen gilt. Bisweilen aber sind von den Wehrleuten pfiffige Ideen und handwerkliches Geschick gefragt.

So wie vorletzte Woche in der Poststraße, wo die Häuser dicht an dicht stehen. Eine Katze befindet sich zwischen zwei Hauswänden, vier Meter tief ist ihr Gefängnis unten auf dem Boden. Aus eigener Kraft kommt sie nicht mehr raus. Die Wehrleute schrauben kurzerhand ein paar Dachlatten zusammen, lassen sie als Aufstiegshilfe hinunter – ein stubentigertauglicher Drehleiterersatz. Die Katze wirkt zwar, wie es im Einsatzbericht heißt, „etwas ängstlich“. Aber was zählt, ist das Happy End. Die Besitzerin kann ihren Liebling wieder in den Armen halten.

Manchmal aber überwiegt bei der Kreatur die Angst. So wie am Tag zuvor in der Beckumer Straße. Dort sind der Wehr spätabends mehrere verwaiste Katzenjungen gemeldet worden. Die Kätzchen gehen aber beim Versuch, sie einzufangen, sofort stiften.

Keine Chance abzuhauen hat hingegen das Fundtier, mit dem es die Rettungskräfte zuvor am Jahnplatz zu tun haben. Dort kann sich ein Nagetier nicht aus eigener Kraft aus einer Senke der Skateranlage befreien. Worum es sich bei dem Nager handelt, geht laut Feuerwehrsprecher Christian Dicke aus dem Einsatzprotokoll nicht hervor. Ob Nutria, Biber oder etwas anderes, bleibt also unklar. Kaum vorstellbar, dass Dickes Kollegen eine Ratte in Sicherheit bringen. Fest steht, dass das Nagetier mit einem Fangnetz eingefangen und anschließend wieder in die Natur entlassen werden kann.

Weil sich die „Bewaffnung“ der Feuerwehr auf C-Rohr, Axt, Spreizer und derlei technische Hilfsmittel beschränkt, muss sie manchmal auch ihrerseits Unterstützung anfordern. Etwa als Anfang Juni an der Mastholter Straße ein Hund eingefangen werden soll. Der aber lässt sich nicht bändigen. Das Veterinäramt wird hinzugezogen, der Hund mit zwei Schüssen betäubt und sodann von der Feuerwehr ins Tierheim gebracht.

Wie es aussieht, haben die Tiere in diesem Jahr einen Schutzengel – jedenfalls wenn man die Einsatzzahlen der Feuerwehr als Maßstab heranzieht. Denn in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es erst 17 Fälle von „Tier in Notlage“. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 72 Fälle, im Jahr davor 43 Einsätze.

Unter den Rettungseinsätzen der tierischen Art 2020 ist etwa ein Schaf in der Glenne, das sich nicht eigenständig aus dem Wasser befreien kann. Nach Esbeck wird die Wehr im Mai gerufen, weil dort „ein Vogel in einem Kanaldeckel eingeschlossen“ ist, wie es in der Einsatzstatistik heißt. „Der Kanaldeckel wurde geöffnet und der Vogel konnte sich so selbständig befreien“, steht’s im Protokoll.

Manchmal kommt die Wehr zu spät, hat sich das Objekt der Hilfsbegierde zwar nicht in Luft aufgelöst, aber schon in selbige begeben. „Eine verletzte Taube hatte sich bei Eintreffen der Feuerwehr entfernt“, ist im Einsatzbericht zu lesen.

Und nicht immer ist von tierischer Seite aus die Hilfe der Rettungskräfte erwünscht – obgleich die Unterstützung letztendlich dann doch zum erhofften Ergebnis führt. So wie bei einem Einsatz in der Innenstadt, bei dem eine Katze auf einem Dach gemeldet worden ist. Nun, der Vierbeiner löst das Problem allein – trotz oder gerade wegen des Eintreffens der Feuerwehr. So heißt es ebenso knapp wie trocken im Einsatzbericht: „Die Katze entfernte sich beim ersten Annäherungsversuch der Feuerwehr mit Hilfe der Drehleiter.“

Text: Der Patriot - Lippstädter Zeitung

Foto: Feuerwehr Lippstadt

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