08 Jan '24

Kreisbrandmeister-Kritik nach Hochwasser: „Nichts aus dem Ahrtal gelernt“

Dass das Weihnachtshochwasser keine schlimmen Folgen hatte, lag wohl vor allem an einer großen Portion Glück und der Tatsache, dass hunderte – größtenteils – ehrenamtliche Einsatzkräfte während der Feiertage Vorsorge betrieben, um der Lage „nicht hinterherrennen“ zu müssen. Kreisbrandmeister Thomas Wienecke wirft einen Blick zurück und hat eine bittere Erkenntnis: Zumindest in einem Punkt wurde aus der Flutkatastrophe 2021 „nichts gelernt“.

Es war kein Starkregen, sondern ein klassisches „Hochwasser-Ereignis“, mit dem Teile des Kreises Soest – unter anderem Lippetal, Warstein, Lippstadt und Geseke – an Weihnachten und den Tagen danach konfrontiert waren. Ein wichtiger Unterschied, sagt Kreisbrandmeister Wienecke. Denn: Starkregen kommt von jetzt auf gleich – wie bei der Flutkatastrophe 2021. Diesmal war es jedoch Dauerregen, der die Pegel auf Höchstwerte stiegen ließ. Daher gab es mehr Vorbereitungszeit – und die wurde von den Feuerwehren, Hilfsorganisationen und Behörden genutzt.

Hochwasser im Kreis Soest: Die zwei kritischsten Momente

Tausende Sandsäcke wurden gefüllt und aufgeschichtet, an der Glenne in Lippstadt wurde das Hochwasserschutzsystem „Aquariwa“ des Kreises Soest aufgebaut. Die Vorsorge sollte belohnt werden – Riesenschäden und Überflutungen ganzer Orte blieben aus. In der Gesamtsicht stellt Wienecke die zwei „kritischsten Momente“ heraus: „Als die Glenne in Lippstadt 3,94 Meter hatte und der Deich überströmt wurde. Da war die größte Sorge, dass etwas Gravierendes passiert und dass wegen des aufgeweichten Bodens die Wurzeln nicht mehr halten und wegen des Sturms Bäume in den Deich schlagen könnten. In gleicher Größenordnung war die Lage in Lippetal, als am zweiten Weihnachtstag der höchste Wasserstand erreicht wurde. Die große Frage war: Was passiert jetzt noch, wenn die Regenfälle am Freitag wirklich so massiv werden? Dann wären ganze Höfe abgesoffen, es hätte Tierrettungen geben müssen. Mit den Landwirten hatten wir bereits über Evakuierungen gesprochen. Wir waren vor der Lage und das war entscheidend.“

Im Paderborner Raum seien sämtliche Regenrückhaltebecken voll gewesen. Wären die prognostizierten Regenmengen gekommen, hätte das unmittelbare Auswirkungen auf den Kreis Soest gehabt. „Das Wasser hätte keiner mehr aufhalten können. Dann hätten wir Probleme bekommen.“ Wichtig sei auch die „herausragende Zusammenarbeit“ mit der Unteren Wasserbehörde des Kreises gewesen. Mit den führenden Köpfen, Philipp Büngeler und Birgit Dalhoff, war die Zusammenarbeit sehr gut. Ich habe selten erlebt, dass eine Behörde Tag und Nacht so gut funktioniert hat. Alle sind bis an ihre Grenzen gegangen.“

„Dieser Zusammenhalt war einfach geil“

Wienecke hob zudem hervor, dass die Lage trotz aller weit im Vorfeld durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen so kritisch gewesen sei. „Da kann man sich nur schwer vorstellen, wie es ausgesehen hätte, wenn es diese Renaturierungen nicht gegeben hätte.“ Die interkommunale Zusammenarbeit sei zur Bewältigung der Lage unerlässlich gewesen: „Was da an Leistung gebracht wurde, das kriegst du als einzelne Feuerwehr gar nicht hin. Dieser Zusammenhalt war einfach geil“, so Wienecke.

Kritik an Hessen: „Nichts aus dem Ahrtal gelernt“

Weniger euphorisch blickt er auf manche bürokratische Hürde zurück. Die gab es, als der Kreis Soest in Hessen weitere Elemente des Hochwasserschutzsystems anforderte. Die 750 Meter, die es im Kreis Soest gibt, reichten nicht. Aus Bad Homburg sollten Teile des gleichen Systems kommen. „Man kann das System nur mit den passenden Elementen erweitern“, erklärt der Kreisbrandmeister. Doch das hessische Landesministerium schaltete sich ein. „Das muss man sich vorstellen: Die Feuerwehr Bad Homburg hatte bereits zugesagt; das THW hatte zugesagt, die Lieferung zu übernehmen, mit der Stadt war die Kostenübernahme geklärt. Doch die Hürden des föderalen Systems waren so hoch, dass die Genehmigung im hessischen Ministerium trotzdem sechs Stunden gebraucht hat. Da wurde aus dem Ahrtal wirklich nichts gelernt! Am Ende waren die Elemente dann um 2 Uhr in der Nacht da.“

Text und Foto: Daniel Schröder (Soester Anzeiger)

Kreisbrandmeister-Kritik nach Hochwasser: „Nichts aus dem Ahrtal gelernt“