29 Jun '18

Zwei minus für Feuerwehr: „Schutzziel unterschritten“

Die Lippstädter Feuerwehr hat in den vergangenen Jahren das selbst gesteckte „Schutzziel deutlich unterschritten“. Das sagte Anne Kathrin Esser von der Kommunal-Agentur NRW, als sie am Montagabend im Haupt- und Finanzausschuss den neuen Brandschutzbedarfsplan erläuterte. Bei den „zeitkritischen Einsätzen“ (Wohnungsbrand, bei dem Menschenleben in Gefahr sind) waren im Jahr 2016 die ersten Einsatzkräfte in nur sechs von zehn Fällen innerhalb der vorgesehenen Hilfsfrist von acht Minuten vor Ort. Und im vergangenen Jahr sei die Quote „noch einmal runtergegangen“.

16 Jahre alt ist der letzte Brandschutzbedarfsplan – entsprechend viel hat sich seitdem getan. So steige die Zahl der Einsätze stetig an, auf bis zu 800 jährlich. Und so sieht der Plan Investitionen in Gebäude und Fahrzeuge vor – und hebt die Bedeutung des Ehrenamts hervor. Für Esser ist klar, dass nur das Miteinander der knapp 90 hauptamtlichen Kräften der Wache und der 400 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr den Brandschutz sicherstellen kann. „Ohne das Ehrenamt wird das Hauptamt das nicht schaffen.“

Der 170-seitige Bericht beantworte zwar, wie Bürgermeister Christof Sommer sagte, „nicht jede Frage“, zeige aber auf, „welche Aufgaben vor uns liegen“. Die in der Sitzungsvorlage aufgelisteten Etatmittel von 5,5 Millionen Euro beziehen sich laut Fachbereichsleiter Joachim Elliger allein auf die Anschaffung neuer Fahrzeuge bis 2023. Standort- oder andere Organisationsfragen werden zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert bzw. entschieden.

„Glück gehabt“: Aufsicht geduldig

Dass etwas geschehen muss, zeigt ein Blick auf die Einsatzstatistik. Demnach ist die Wehr bei besagten zeitkritischen Einsätzen immer seltener mit einem sechsköpfigen Trupp innerhalb der Acht-Minuten-Frist vor Ort. Im Jahr 2007 war dies noch bei deutlich über 90 Prozent der Einsätze der Fall. Im Jahr 2016 sank der „Erreichungsgrad“ auf nur noch 60 Prozent.

Die Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren setzt als Ziel hingegen 90 Prozent an. Und auch die Aufsichtsbehörden gehen davon aus, dass in städtischen wie ländlichen Bereichen eine solche Quote anzustreben ist. Weshalb Esser sagte, dass die Stadt wohl „Glück gehabt“ habe, dass die Bezirksregierung den Rückgang bei den Hilfsfristen hingenommen habe.

An einigen der zehn Wehrstandorte gibt es laut Esser diverse Mängel insbesondere hinsichtlich des Arbeitsschutzes (s. Seite 3). „Der Fahrzeugpark entspricht dem Bedarf, ist aber in die Jahre gekommen.“ Beim Personal liege die Ist-Stärke unter dem Soll, und zwar mit bis zu minus 44 Prozent teils deutlich. Dabei wird allerdings eine Personalreserve von 200 Prozent angenommen – „das ist der Idealfall“, so Elliger. Problematisch ist vor allem die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Kräfte tagsüber.

Insgesamt sei die Feuerwehr aber „gut aufgestellt“, bescheinigte Esser den Politikern, „einen Mittelklassewagen zu haben“. Aber es gebe auch Bedarf für Nachbesserungen. So gelte es die Feuerwache zu vergrößern und andere Standorte zu „ertüchtigen“.

Ganz wichtig sei es, das Ehrenamt zu stärken, die Freiwilligen an die Wehr zu binden und die Motivation zu fördern. Denn die heutige Stärke von 400 Kräften reiche nicht aus. Es gelte Mitgliederwerbung zu betreiben und auch Arbeitgeber an den Tisch zu holen, damit Wehrleute keine Schwierigkeiten bekommen, wenn sie vom Arbeitsplatz zum Einsatz ausrücken.

„Voralarm“ seit vielen Jahren gefordert

Zudem wird vorgeschlagen, die Jugendfeuerwehr aus- und eine dritte Gruppe am Stützpunkt West aufzubauen, um das Ehrenamt langfristig zu sichern.

Klar ist, dass mehr Personal für die Feuerwehr erforderlich wird, wie Esser auf eine Frage von Franz Gausemeier (CDU) bestätigte. Der Unterschied ist: Wenn dies übers Ehrenamt gelingt, kostet es „ein bisschen Geld“, bei Hauptamtlichen „viel Geld“.

Eine weitere Anregung ist, dass die Einsatzkräfte via „Voralarm“ benachrichtigt werden, sobald der Notruf eingeht. Das spare wertvolle Zeit – und wird seit Jahren gefordert.

Wenn dadurch sowie durch Rutschstangen oder eine Ampel an der Ausfahrt der Wache 90 Sekunden beim Ausrücken rausgeholt werden könnten, warum, so fragte Michael Bruns (Linke), „ist das nicht längst umgesetzt worden?“ Worauf Elliger mit Blick auf den Voralarm und Richtung Kreis-Leitstelle antwortete, dass dies „auch von anderen Akteuren abhängt“.

Ansgar Mertens (CDU) sagte, er verstehe den Bericht als Zeugnis (mit einer „Zwei minus“). Nun gelte es die „Maßnahmen, die uns ins Klassenheft geschrieben“ wurden, umzusetzen. „Wir wollen eine Zwei plus oder Eins minus.“ Verabschiedet wird der Brandschutzbedarfsplan vom Rat am 9. Juli.

Quelle: Der Patriot - Lippstädter Zeitung