26 Jul '16

Ständig alarmbereit: Polizei und Notfallseelsorger auf Amokläufe und Anschläge vorbereitet

Angst und Schrecken haben am vergangenen Wochenende zwei Täter in Bayern und Deutschland verbreitet:

In München hat am Freitagabend ein Amokschütze neun andere Menschen und sich getötet, in Ansbach hat ein Mann am späten Sonntagabend einen Sprengsatz bei einem Musikfestival gezündet. Dabei sind zwölf Menschen verletzt worden, der Täter starb. Unsere Zeitung hat nachgefragt, wie gut die hiesige Polizei auf derartige Horrorszenarien vorbereitet ist.

„Wir sind immer in Alarmbereitschaft“, sagt Frank Meiske. „Spätestens seit Erfurt und Winnenden gibt es das Phänomen“, so der Polizei-Pressesprecher über Amokläufe. (Zur Erinnerung: Der 19-jährige Robert Steinhäuser hat im Jahr 2002 an seiner ehemaligen Schule in Erfurt 16 Menschen und anschließend sich selbst getötet; In Winnenden verübte 2009 der 17-jährige Tim Kretschmer einen Amoklauf an einer Realschule, bei dem 15 Menschen und er selbst zu Tode kamen.) „Seitdem bereiten wir uns darauf vor“, sagt Meiske.

Sensibel sind die Beamten darum auch im Vorfeld. Und das hat sich bereits ausgezahlt. In den vergangenen Jahren habe es „auch etliche Amok-Verdachtsfälle im Kreis Soest“ gegeben, gibt der Sprecher Auskunft. In der Regel seien Schulen davon betroffen gewesen. Aufgrund von Hinweisen hat die Polizei bisher jedoch Schlimmeres verhindert, wie Meiske mitteilt - gerade noch rechtzeitig. Denn in einem Fall habe ein Verdächtiger sich bereits Materialien beschafft, die zur Herstellung von Brand- und Sprengmitteln nötig sind.

Um Anschläge auf Großveranstaltungen zu verhindern, stellen die Sicherheitskräfte im Vorfeld Ermittlungen an, sagt Meiske. Wenn eine Gefahr bestünde, würden sie gegebenenfalls abgesagt. Generell sei die Polizei bei Veranstaltungen präsenter als noch vor ein paar Jahren und habe seit der Loveparade-Katastrophe von Duisburg das Sicherheitskonzept geändert. Seitdem gibt es beispielsweise breitere Fluchtwege und weniger Stände bei Weihnachtsmärkten. „Den 100-prozentigen Schutz gibt es nicht, aber wir sind schon seit längerer Zeit sehr sensibel - gerade bei Großveranstaltungen“, sagt Meiske.

Für die Ausbildung von Polizisten in NRW ist das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) zuständig. Dieses analysiere gemeinsam mit dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD NRW) und dem LKA bereits seit vielen Jahren Terror-Phänome in den verschiedenen Erscheinungsformen, sagt Sevinc Coskuneren. Hierzu gehören Amokläufe, Massengeiselnahmen und auch Sprengstoffattentate. Anhand dieser Analysen, so die Polizeihauptkommissarin, die beim LAFP für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, werden polizeiliche Handlungskonzepte und Trainings entwickelt. „Die NRW-Polizistinnen und -Polizisten werden auf diese schwierigen Situationen in der Aus- und Fortbildung professionell vorbereitet“, schreibt Coskuneren auf Anfrage unserer Zeitung - auch die aus dem Kreisgebiet.

„Neue Erkenntnisse und Erfahrungen fließen immer in die Entwicklungen mit ein. Die zurückliegenden terroristischen Ereignisse, aber auch der Amoklauf von München vor wenigen Tagen haben deutlich gezeigt, dass eine intensive und frühzeitige Vorbereitung unerlässlich ist“, so die Pressesprecherin. Das Konzept, das die Polizisten nach den ersten Amokläufen in Deutschland entwickelt hätten, sei inzwischen taktisch um die Terrorbekämpfung erweitert worden. „Wir sind daher gut vorbereitet“, so Coskuneren.

Wie viele Polizisten aus dem Kreisgebiet genau für Ernstfälle wie die in Ansbach und München aus- und fortgebildet sind, konnte die Hauptkommissarin aus taktischen Gründen nicht sagen.

„Wir können Menschen auffangen“

Wenn schwere Unfälle, Massenpaniken oder Anschläge passieren, dann meiden Menschen in der Regel erst einmal den Ort des Geschehens. Nicht so die Einsatzkräfte der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Heike Gösmann gehört zu ihnen. Sie ist Fachberaterin für Psychotraumatologie und Mitglied der Rufbereitschaft der Notfallseelsorge im Kreis Soest. Personen, die bei solch einschneidenden Erlebnissen wie beispielsweise denen in Bayern dabei sind, rät sie „nicht von dem Ort zu flüchten, sondern das Angebot der Notfallseelsorge wahrzunehmen“ - natürlich nur, wenn die Gefahrenlage vorüber ist und sie an einem sicheren Ort sind.

Gösmann und ihre Kollegen böten zwar keine langfristige Begleitung an, haben aber ein Netzwerk an der Hand, auf das sie verweisen können. Die Expertin betont, wie elementar es ist, sich Rat zu holen: „Die Bilder, die im Kopf entstehen, können eine gravierende Belastung erzeugen. Darum ist es wichtig, darüber zu reden, die Erfahrung mit anderen auszutauschen. Außerdem ist der Kontakt hilfreich, um zu vermitteln, dass es vorbei ist.“ Betroffene, die sich ohne eine stabilisierende Begleitung durch einen Notfallseelsorger nach Hause aufmachten, können mit dem Erlebten bei ihren Angehörigen sogar eine sekundäre Traumatisierung hervorrufen, sagt die Expertin. Darum sei die Kontaktaufnahme mit den Fachkräften einmal mehr wichtig. „Wir können mit traumatisierten Menschen umgehen, sie auffangen“, sagt die Lippstädterin.

Quelle: Der Patriot - Lippstädter Zeitung